Die Oberstufe – Klasse 10 bis 12
Die Oberstufe beginnt mit der 10. Klasse und endet mit der 12. Klasse. Ein 13. Schuljahr ist optional und dient nur noch der Erlangung der Allgemeinen Hochschulreife, die bei uns seit dem Schuljahr 2017/18 abgenommen wird.
Wir begreifen die Zeit der Oberstufe gemäß den Grundlagen der Waldorfpädagogik als Prozess der zunehmenden Individualisierung der Schüler:innen. Dies bedeutet eine zunehmende Selbstständigkeit im Lernen und in der Arbeit, aber auch eine Emanzipation vom Elternhaus, von uns Lehrer:innen und von dem bis dahin sehr prägenden Klassenkollektiv. Wir sehen unsere Aufgabe darin, die Jugendlichen in diesem Prozess der Selbstwerdung und Entfaltung zu begleiten, zu beraten, zu unterstützen und anzuregen.
Als Waldorfschule mitten in Berlin sehen wir uns dem Thema Diversität in jeder Hinsicht verpflichtet und versuchen, unseren Umgang miteinander an den Leitlinien nichtdiskriminierender Kommunikation auszurichten (vgl. „Stuttgarter Erklärung“ von 2020 ). Stuttgarter-Erklaerung_11_2020.pdf
Die Klassenbetreuer:innen der Mittelstufe werden ab der 10. Klasse durch ein Klassenbegleiter:innenteam, optimalerweise männlich/weiblich/divers gemischt, ersetzt, das die Klasse in organisatorischen Belangen leitet und als Ansprechpartner für Schüler:innen und Eltern zur Verfügung steht.
Im Hauptunterricht der Oberstufe werden epochenweise die Fächer Deutsch, Mathematik, Geschichte, Geografie, Biologie, Chemie, Physik, Sozialkunde bzw. Politikwissenschaft und Kunstgeschichte gegeben.
Zum bisherigen Fachunterricht der Unter- und Mittelstufe tritt in der 10. und 11. Klasse noch das Fach Informatik hinzu. In der sog. Schiene werden Unterrichtsinhalte der Epochen- und Fachunterrichte täglich über einen längeren Zeitraum vertieft; Religion und Philosophie werden ebenfalls in der Schiene angeboten. Zudem gibt es ab der 10. Klasse einen berufsorientierenden Projektunterricht (BoP).
In der Oberstufe schließt der handwerkliche Unterricht in der 10.Klasse mit einem Schreiner-Projekt weitgehend ab. In der 11. und 12.Klasse liegt der Schwerpunkt im künstlerischen Unterricht. Zu diesem Bereich gehören unter anderem Bildhauerei, Malerei, Zeichnen, Druckgrafik, Collage, Fotografie und Bühnenbild. Im 12.Schuljahr findet eine Abschlussausstellung zu einem individuellen Kunstprojekt und eine Kunstfahrt statt.
An der Johannes Schule lernen die Kinder ab der ersten Klasse Englisch und Spanisch. Der Sprachunterricht eröffnet den Schüler:innen einen Blick in andere kulturelle und soziale Räume und Lebensrealitäten. In der Oberstufe steht neben der Vertiefung und Verfeinerung ihrer Sprachkenntnisse in Wortschatz und Grammatik für die Schüler:innen insbesondere die Begegnung mit der Geschichte, Politik und der Kultur des anderen Sprachraumes im Fokus.
Biografische Texte, historische Klassiker und zeitgenössische Literatur und Kurzgeschichten sowie Lieder und Lyrik schlagen transkulturelle Brücken und machen Literatur, Sprache und Kultur des englischen bzw. spanischen Sprachraums für die Schüler:innen erlebbar. Zeitgenössische Realität spiegelt sich hier zudem in anregenden Sachtexten aus Print und digitalen Medien, sowie in Audio- und Filmmaterial.
„Im Musikalischen werden wir selbst zur Schönheit“ (Rudolf Steiner, 1919)
Musik verbindet
In der Oberstufe kommt der Musik ein spezifischer sozialer Stellenwert zu: Das Individuelle der Jugendlichen festigt sich und die Musik bildet dazu einen verbindenden, wohltuenden Ausgleich. Beim Musizieren werden die Schüler:innen herausgefordert, ihren Beitrag zum Ganzen völlig wach und bewusst zu leisten. So erfahren sie das Gemeinsame und zugleich eine Selbstbestätigung.
Klassik, Romantik, Moderne
In der 10. Klasse widmen wir uns der klassischen Musik aus Wien und lernen die klaren
musikalischen Formen – die Sonate und die Sinfonie – in ihrem Aufbau und ihren Kontrasten verstehen. Mit der 11. Klasse verlassen wir diese Klarheit, indem wir in den Bereich des Subjektiven, des Flüchtigen, in das Ungreifbare der Romantik eintauchen. In der Romantik weiten sich die harmonischen Möglichkeiten und es öffnen sich allmählich Wege aus dem festen Tonsystem heraus. Damit betreten wir die Moderne und brechen in der 12. Klasse zum Erkunden von Neuem, Zukünftigem, Ungehörtem auf. Wir üben unser Denken an der inneren Logik einzelner Kompositionen, empfinden deren Wahrheitsgehalt und machen uns daran, selbst Neues zu erfinden.
Mit Kopf, Herz und Hand und der Stimme!
Denken, empfinden und tun – mit Kopf, Herz und Hand – sind Voraussetzungen für das Musikalische, und in der Musik üben wir alle drei gleichermaßen. Dabei nimmt das gemeinsame, mehrstimmige Singen eine besondere Stellung ein.
Das gemeinsame Lauschen, Staunen, Singen und Spielen lässt uns zusammen wachsen, sei es im Musikunterricht, im Oberstufenchor, im Orchester oder dem Gitarren- oder Percussion-Ensemble.
Die Jugendlichen der Oberstufe entfalten ihr reiches Innenleben mehr und mehr nach außen und wollen sich gestaltend in die Welt einleben, in der Welt wirksam werden. Dazu gehört auch, sich in der Zeit und im Raum zu zeigen. In der Eurythmie werden Musik und Sprache (Lyrik, Epik, Dramatik) in der Seele erlebt und im Raum dargestellt, „getanzt“ könnte man auch sagen; nicht aus reiner Subjektivität, sondern den Gesetzmäßigkeiten, den Stilen, Inhalten, Zeitepochen der Werke entsprechend. Von Solodarstellung bis zu großen Gruppenchoreografien, die ein hohes Maß an Sozialkompetenz erfordern, reichen die Darstellungen, die am Ende auf der Bühne auch öffentlich gezeigt werden. Dahinter steht neben den mehr äußerlichen Anforderungen immer auch die Frage der Verbindung zu den Kräften, die im Menschen und in der Natur schaffend und gestaltend tätig sind.
Unsere Schule bietet in der Oberstufe einmal wöchentlich einen Wahlpflichtbereich an, in dem eine vertiefende Teilnahme an Oberstufenchor, Orchester, Gitarren- oder Percussionsensemble, der Theatergruppe oder der Eurythmiegruppe möglich ist.
In der 10. Klasse findet das Vermessungspraktikum statt. Außerdem fördern wir im 10. Schuljahr Aufenthalte oder Austausche im englisch- oder spanischsprachigen Ausland zur Vertiefung der Sprachkenntnisse.
Für die 11. Klasse ist ein dreiwöchiges Berufs- oder Sozialpraktikum vorgesehen. Hier können die Schüler:innen, nach ihren ersten Praktika in der Mittelstufe, innerhalb eines von ihnen selbst gewählten Tätigkeitsbereichs, einen Einblick in die Berufswelt erlangen. Im Zeitraum dieses Praktikums wird jede:r Schüler:in von ihrer:m Mentor:in besucht.
Der Mittlere Schulabschluss (MSA) ist für alle Schüler:innen verbindlich und wird in der 11. Klasse abgenommen. Er besteht aus drei schriftlichen Prüfungen in den Fächern Deutsch, Mathematik und einer Sprache (Englisch oder Spanisch) – in der auch eine sogenannte „Sprechfertigungsprüfung“ stattfindet – und einer mündlichen Präsentationsprüfung in einem weiteren selbst gewähltem Fach.
In der 12. Klasse liegt der Waldorf-Abschluss mit seinem künstlerisch-performativen Schwerpunkt. Es finden Aufführungen in Eurythmie und Musik statt, an denen die gesamte Schulgemeinschaft teilnimmt und eine gemeinsam konzipierte Ausstellung in der Bildenden Kunst wird im Schulgebäude ausgestellt. Die Erarbeitung und Aufführung eines Theaterstücks und eine Kunstfahrt, an der Johannes Schule meist nach Italien, sind die Krönung der Schullaufbahn in einer Waldorfschule.
Ein 13. Schuljahr ist optional und dient nur noch der Erlangung der Allgemeinen Hochschulreife, die bei uns seit 2018 Jahren in den eigenen Räumen abgenommen wird.