Abschlüsse, kommt die Vorbereitung nicht zu kurz?
Kommt die Vorbereitung auf die Abschlüsse nicht zu kurz, wenn an der Waldorfschule so viele Praktika stattfinden, wenn Theater gespielt und handwerklich gearbeitet wird?
Es ist richtig, dass diese Aktivitäten zusammen mit dem Lernpensum in manchen Schuljahren eine Doppelbelastung für die Schüler bedeuten. Hier müssen immer wieder individuelle Lösungen gefunden werden.
Tatsächlich liegen die Waldorfschulen aber – was die Abschlüsse angeht – gleichauf mit den staatlichen Regelschulen, meist liegen sie sogar über dem Durchschnitt.
Anthroposophie, fließt die in den Unterricht mit ein?
Werden die Kinder an der Waldorfschule weltanschaulich unterrichtet?
Die Waldorfschule ist konfessionell nicht gebunden Zunächst entscheiden die Eltern, welchen Religionsunterricht ihr Kind besucht, später entscheiden die Jugendlichen selbst.
Rudolf Steiners geisteswissenschaftliche Erkenntnisse sind zu keinem Zeitpunkt Gegenstand des Unterrichts.
Berufswelt, werden die Waldorfschüler dafür vorbereitet?
Wie werden die Jugendlichen in der Oberstufe auf die Berufswelt vorbereitet?
Während der ganzen Oberstufe werden die Schüler in allen Fächern von Fachlehrern unterrichtet.
Die handwerklichen Fähigkeiten, die sie sich über die gesamte Schulzeit hinweg haben aneignen können, werden von der 8. Klasse an durch mehrere Praktika ergänzt: In einem Landwirtschafts- und einem Forstpraktikum, einem Feldmess-, einem Betriebs- und einem Sozialpraktikum erhalten die Schüler eine ausgesprochen lebensnahe Ausbildungsgrundlage. Dabei liegt der eigentliche Sinn der Praktika nicht in der Berufsfindung, sondern im Erüben sozialer und persönlicher Fähigkeiten.
Freie Schule = Waldorfschule = antiautoritär?
Die Waldorfschulen nennen sich „freie Schulen“. Heißt das, dass die Kinder dort antiautoritär erzogen werden?
Nein. Waldorflehrerinnen und -lehrer bauen im Gegenteil in der Unterstufe ein von „liebevoller Autorität“ geprägtes Verhältnis zu ihren Schülern auf. Kinder suchen ihre Grenzen. Nur wenn sie ihre Grenzen von den Erwachsenen erfahren, fühlen sie sich einerseits sicher und erleben sich andererseits als eigene Persönlichkeit. Im Laufe der Schulzeit wandelt sich das Lehrer-Schüler-Verhältnis mit der Entwicklung der Heranwachsenden.
`hard facts` in den ersten Klassen?
Lernen an Bildern
Das Lernen im Grundschulalter ist noch nicht gedanklich abstrakt, sondern bildhaft konkret. Bilder, die die Schüler innerlich bewegen können, ermöglichen es, ein Gefühl für die Erscheinungen der Welt auszubilden und sie daran zu begreifen.
Rudolf Steiner (1861 - 1925, Begründer der Waldorfschule) warnte davor, Kinder zu früh in Mehr- und Minderbegabte zu klassifizieren."Denn wir werden die Erfahrung machen, dass die sogenannten Minderbegabten meistens nur später begreifen" .
Seine Empfehlung lautete: Die Begrenzung zwischen den einzelnen Klassenstufen weniger scharf sein zu lassen und Kinder möglichst lange gemeinsam lernen zu lassen. Dann wirft er "Lichter hinüber zu den Lehrplänen gegenwärtiger Schulen, damit wir den Kompromiss ordentlich brav schließen können".
Man kann die Frage stellen, was im heutigen Waldorflehrplan auf den "braven
Kompromiss" mit damaligen Lehrplänen, was auf die Ideale der Waldorfpädagogik zurückzuführen ist.
Klassenlehrerzeit
Warum haben die Kinder in den ersten Schuljahren nach Möglichkeit ein und denselben Klassenlehrer?
In einer Gemeinschaft, die von Beständigkeit und Rhythmus geprägt ist, können Kinder sich gesund entfalten. Um ihnen darin eine verlässliche Stütze zu sein, begleitet ein Waldorf-Klassenlehrer seine Klasse nach Möglichkeit viele Jahre durch den Hauptunterricht, der die ersten beiden Stunden eines Schulvormittags in Form von Epochenunterricht umfasst. Dabei lernt er seine Schüler sehr gut kennen und kann individuell auf ihre Stärken und Schwächen eingehen.
Klassenlehrer, kann der überhaupt über alle Kernfächer qualifizierten Unterricht erteilen?
Kann ein Lehrer in allen Fächern überhaupt qualifizierten Unterricht erteilen?
Für Lehrer an Waldorfschulen gibt es eine eigene Ausbildung, die in einem Vollzeitstudium oder auch berufsbegleitend auf die besonderen Erfordernisse des Waldorfschulunterrichts vorbereitet. Klassenlehrer begleiten ihre Klasse über mehrere Jahre und erteilen jeden Morgen in den ersten beiden Schulstunden den Hauptunterricht – jeweils ein Fach über mehrere Wochen (Epochenunterricht). Nach zwei Stunden Hauptunterricht übernehmen Fachlehrer den Unterricht in Fremdsprachen, Sport, Eurythmie, Musik, Religion und in den handwerklichen Fächern.
In der Unter- und Mittelstufe geht es an der Waldorfschule nicht um die Fülle reinen Fachwissens. Vielmehr liegt der Schwerpunkt darauf, dass die Schüler eine lebendige Beziehung herstellen zu dem, was sie lernen, was sie sind und was sie an der Welt erleben. Auf diese kann Lernen Freude machen – ein Leben lang.
Klassenstärke an Waldorfschulen
Stimmt es, dass Waldorfschulen immer sehr große Klassen haben?
Das ist von Schule zu Schule verschieden. Aber es ist richtig, dass eine Klasse bis zu 38 (jedoch meist unter 32) Schüler stark sein kann. In der JSB streben wir eine maximale Klassenstärke von 30 Schülern an.
In vielen Fächern werden die Klassen dann allerdings in zwei oder drei Gruppen geteilt. Kinder, die sich in einem Fach leichter tun, helfen denen, die es schwerer haben. Schülern, die ganz besonders schnell auffassen, geben die Lehrer schwierigere Zusatzaufgaben.
In einer großen Klasse entsteht durch die Vielzahl der unterschiedlichen Persönlichkeiten, Temperamente und Eigenschaften der Kinder über 12 Jahre eine soziale Gemeinschaft, in der die jungen Heranwachsenden aneinander lernen.
Künstlerische Elemente an der Waldorfschule?
Unterricht künstlerisch gestalten
Ein guter Unterricht fährt sich nicht in Einseitigkeiten fest, sondern atmet. Reine Wissensvermittlung interessiert keinen jungen Menschen.
Wenn der Unterricht aber künstlerisch-dramaturgisch gestaltet wird, indem im rhythmischen Wechsel Spannungen aufgebaut und wieder gelöst werden, wird Schule lebendig.
Waldorfpädagogik versucht, lebendigen Unterricht künstlerisch durchzuführen und seine Voraussetzungen mit Bewusstsein zu durchleuchten. Letzteres kann man auch Anthroposophie nennen.
Das Künstlerische in der Waldorfschule ist also kein Selbstzweck, sondern vor allem ein pädagogisches Mittel, das sich auch als geeignet erwiesen hat, Verhaltensauffälligkeiten und
Gewalttendenzen in der Jugend entgegenzuwirken.
Jahresarbeiten, was bedeutet das?
Was sind Jahresarbeiten?
Jahresarbeiten sind selbständige Schülerausarbeitungen die sie über ein ganzes Schuljahr hinweg angefertigt haben.
Die Themen sind vielfältig und kommen aus allen Lebensbereichen, ob Biologie , Technik, Musik, Kunst etc.
Ziel ist es, dass der Schüler das selbständige Erarbeiten eines Stoffes lernt und diesen präsentieren kann.
Durch das eigenständige Verbinden mit einem Thema und der Arbeit daran, dem selbständigen Lernen und Formulieren erfahren Schüler einiges über ihre eigenen Fähigkeiten und Schwächen.
Es gibt Jahresarbeiten in der 12. Klasse die es mit der Diplomarbeit eines Studenten aufnehmen kann.
Die Jahresarbeit der 12. Klasse stellt den eigentlichen Waldorfabschluss dar.
In unserer Schule fangen die ersten Jahresarbeiten der 8. Klasse an
Lernschwache Kinder
Ist es nicht so, dass hauptsächlich Kinder mit Lernschwierigkeiten auf eine Waldorfschule gehen?
Nein. Ausdrücklich nein. Für Kinder, die Teilleistungsschwächen oder Verhaltensstörungen haben, gibt es - wie im staatlichen Schulsystem auch - besondere Waldorfschulen: die heilpädagogischen Förderschulen.
Aber es richtig, dass die Waldorfschule das gesamte Fähigkeitsspektrum von der Hauptschule bis zum Gymnasium abbildet. In der Oberstufe wird daher der Fachunterricht zum Teil nach dem Leistungsvermögen der Schüler geteilt, im Hauptunterricht bleiben sie zusammen.
An Waldorfschulen, die nicht ausdrücklich solche Sonderschulen sind, lernen Kinder aller Begabungsrichtungen wie an den staatlichen Regelschulen auch, nur dass hier neben intellektuellen Fähigkeiten gleichgewichtig auch soziale und handwerklich-künstlerische Fähigkeiten angesprochen werden.
Morgenspruch, was hat es mit dem auf sich
Der Morgenspruch an der Waldorfschule
Die Schüler aller Waldorfschulen sprechen am Anfang eines jeden Tages einen gemeinsamen Spruch, kein Gebet!
Dieser Spruch begleitet Sie über die ganze Schulzeit. Er leitet den Unterricht ein trennt den Alltag vor der Schule von dem Lernen.
Morgenspruch in den vier unteren Klassen
Der Sonne liebes Licht,
Es hellet mir den Tag;
Der Seele Geistesmacht,
Sie gibt den Gliedern Kraft;
Im Sonnen-Lichtes-Glanz
Verehre ich, o Gott,
Die Menschenkraft, die Du
In meine Seele mir
So gütig hast gepflanzt,
Dass ich kann arbeitsam
Und lernbegierig sein.
Von Dir stammt Licht und Kraft,
Zu Dir ström' Lieb' und Dank.
Morgenspruch in den oberen Klassen
Ich schaue in die Welt,
In der die Sonne leuchtet,
In der die Sterne funkeln;
In der die Steine lagern,
Die Pflanzen lebend wachsen,
Die Tiere fühlend leben,
In der der Mensch beseelt
Dem Geiste Wohnung gibt;
Ich schaue in die Seele,
Die mir im Innern lebet.
Der Gottesgeist, er webt
Im Sonn'- und Seelenlicht,
Im Weltenraum, da draußen,
In Seelentiefen, drinnen.
Zu Dir, o Gottesgeist,
Will ich bittend mich wenden,
Dass Kraft und Segen mir
Zum Lernen und zur Arbeit
In meinem Innern wachse.
Naturwissenschaften, kommen die nicht an der Waldorfschule zu kurz?
Spielen die Naturwissenschaften an der Waldorfschule überhaupt eine Rolle? Und wie stehen die Waldorfschulen zum Umgang mit dem Computer?
An der Waldorfschule stehen die naturwissenschaftlichen Fächer gleichgewichtig neben allen anderen Unterrichtsfächern. Das Fach Informatik ist fester Bestandteil an der Waldorfschule, wobei die Pädagogen Wert darauf legen, dass sich die Kinder, bevor sie die virtuelle Welt kennen lernen, mit der natürlichen Welt vertraut machen und ihre sozialen und schöpferischen Fähigkeiten an ihr entwickeln. In der Oberstufe ist der Umgang mit der Soft- und Hardware für jeden Waldorfschüler eine Selbstverständlichkeit.
Öffentliche Veranstaltungen, wann wie wo?
An den Schulen finden regelmäßig öffentliche Veranstaltungen statt, darunter auch öffentliche "Monatsfeiern". In kleinen Klassenspielen, Rezitationen und anderen meist künstlerischen Darbietungen zeigen dort Schüler aller Klassenstufen, was sie sich gerade erarbeitet haben.
Die großen Klassenspiele der 8. und 12. Klasse werden öffentlich dargeboten.
Regelmäßig finden Einführungsveranstaltungen für interessierte Eltern statt.
Einige Waldorfschulen veranstalten einmal im Jahr einen Tag der
offenen Tür, an dem jeder Interessent auch im Unterricht
hospitieren kann.
Öffentliche Schule, ist die Waldorfschule das?
Freiheit und Vielfalt im Bildungswesen
Waldorfschulen entstehen aus örtlichen Elterninitiativen und werden vom jeweiligen Lehrerkollegium in Selbstverwaltung zusammen mit den Eltern geführt.
Jede Waldorfschule ist autonom und somit frei, bis in den Lehrplan eigene pädagogische Ansätze zu entwickeln. Trotz ihres nichtstaatlichen Charakters sind Waldorfschulen allgemein zugänglich, also "öffentliche Schulen" für jedermann.
Staatliche Schulen zu Waldorfschulen, wo ist denn der Unterschied?
Worin unterscheiden sich Waldorfschulen denn überhaupt von anderen Schulen?
Der Unterricht an einer Waldorfschule ist nicht einseitig auf Wissensvermittlung ausgerichtet. Waldorfschulen wollen verstandesmäßige, kreative, künstlerische, praktische und soziale Fähigkeiten bei den Kindern und Jugendlichen gleichmäßig entwickeln.
Vom ersten Schuljahr an lernen Waldorfschüler zwei Fremdsprachen. Jungen und Mädchen stricken, nähen und schneidern gemeinsam in der Handarbeit und sägen, hämmern und feilen gemeinsam im Werkunterricht.
Schülerfragen = Unterrichtsinhalte?
Mit den Fragen der Schüler arbeiten
In einer guten Unterrichtsstunde wird ein Waldorflehrer nicht alles bis zu Ende erklären, sondern bewusst wichtige Fragen offenlassen.
So gehen die Schüler mit der Frage in die Nacht. In einer gesund durchgeschlafenen Nacht kann eine Frage im Unterbewussten geistig aufkeimen, so dass sie am nächsten Tag mit
einem ganz anderen Tiefgang von den Schülern aus behandelt werden kann. Daran kann wiederum der Lehrer nur aus Geistesgegenwart heraus seinen Unterricht anknüpfen, wobei er
bereit sein muss, eventuell seinen vorbereiteten Stoff über Bord zu werfen.
Dann ist aus der Belehrungsanstalt eine lebendige Lernwerkstatt geworden, die bewusst das Geistige des Menschen in den Lernprozess mit einbezieht und die Individualität des
Schülers zum Maßstab und zur Richtschnur des Unterrichtens macht. Wohl deshalb haben wissenschaftliche Untersuchungen ergeben, dass die Einstellung der Schüler zu ihrer Schule
durchschnittlich positiver ist als dies bei Schülern staatlicher Schulen der Fall ist.
Sprachgestaltung, was ist damit gemeint?
Was ist Sprachgestaltung?
Zunächst einmal ist «Sprachgestaltung» kein Name oder gar geschütztes Markenzeichen für einen besonderen Sprechstil, sondern ein Begriff, der zunächst nichts anderes besagt, als dass die Sprache gestaltet wird. So wird er auch unter Schauspielern oder Rednern angewandt.
Wichtig sind nun die Gesichtspunkte, nach denen diese Gestaltung erfolgt. In unserem Alltag sind uns diese meist unbewusst: der Bau von Worten und Sätzen folgt einfach unseren Gedanken. Sehr häufig verwenden wir dabei auch Gewohnheitsfloskeln, die wir gar nicht mehr bedenken. Anders ist es schon, wenn wir einen schwierigen Sachverhalt erklären wollen: da ringen wir um Worte und Wendungen mit denen wir das, was wir innerlich erleben «aus»drücken können. Manchmal lassen wir uns dabei sogar Neuschöpfungen einfallen.
Aber auch unsere Gefühle drücken sich über den Tonfall der Sprache unmittelbar aus: es wird sofort hörbar, ob jemand traurig oder fröhlich, mutig oder zaghaft ist. Damit geht man ja bei jeder Art von Schauspielen ständig um. Doch anders als im Alltag, wo das innere Erleben unbeabsichtigt die Sprache gestaltet, lässt das bewusste Gestalten der Sprache sofort Fragen nach der Wahrheit entstehen: mache ich den Zuhörern nur etwas vor? oder erlebe und meine ich wirklich, was ich sage? stülpe ich meine eigene Empfindung auf andere über? oder lasse ich den Zuhörer frei, eigene Gefühle zu entwickeln? Hier wird der Schritt zur Manipulation leicht überschritten: es soll dann etwas Bestimmtes beim Zuhörer erreicht werden.
Mit Recht haben viele Menschen heute in dieser Richtung ein feines Empfinden und lehnen eine übertriebene, pathetische Sprechweise ab. Andererseits ist aber ein rein intellektuell versachlichtes und seelenloses Sprechen oder aber provozierendes Hinausschleudern von Sprach«fetzen» die der Zuhörer dann erst einmal verdauen muss sicher auch nicht mehr als eine Zeiterscheinung sozusagen ein Pendelschlag in die andere Richtung. Wie aber kann mit Sprache so umgegangen werden, dass sie wirklich Seelisches vermitteln kann, ohne dabei den Bereich des Freiheitsempfindens des anderen Menschen zu stören? Nun gehört es ja gerade zum Ureigensten der Sprache, dass sie vermittelnd zwischen den Menschen steht. Hätten nicht ihre Worte neben dem, was sie nur für mich bedeuten, einen allgemeinen Sinn, könnten wir uns nicht verständigen: so knüpft sicher jeder an ein Wort, z.B. «Apfel» andere Vorstellungen, Empfindungen und Erlebnisse aber trotzdem muss klar sein, dass es nicht um eine Birne geht.
Gehen wir aber von den Worten, die alle einen gedanklichen Inhalt haben, zu den kleineren Elementen, den Silben und Lauten über, so können wir finden, dass diese bis auf wenige Ausnahmen (etwa «Ei») nichts bezeichnen dafür aber einen starken Gefühls oder auch Willensausdruck haben: Ahhh! Oh! Iiii! Mmmm! Ha! Sch! Psss! P! T t t t diese Lautäußerungen sagen uns unmittelbar etwas, ohne dass wir darüber erst nachdenken müßten. Laute sind elementar verständlich und gehören deshalb nicht der gedanklich gepflegten Ebene unserer Hochsprache an. Will man künstlerisch mit der Sprache umgehen, ist der erste Schritt, sich diesen Elementen der Sprache erlebend gegenüberzustellen: anders als im Alltagssprechen geht es jetzt nicht darum, etwas mit Lauten oder Worten zu sagen, sondern umgekehrt zu lauschen: was sagt mir der Laut? was sagt mir das Wort als Lautgebilde, nicht als Sinnträger? was für eine Gebärde lebt darin? (In der letzten Frage lebt zugleich schon eine Hinführung zur Eurythmie, die diese Gebärden dann mit den Gliedern sichtbar werden läßt) Eine Hilfe, zu erleben, was ein Laut eigentlich «macht», ist auch, sich einmal Worte zu nehmen, die eine Vorsilbe haben: z.B. «ge » und dann spielerisch zu lauschen: geben ge geben, sehen ge sehen... oder «be »: leben be leben, nehmen be nehmen, raten be raten..., «er »: er raten, er leben,... Man kann dann finden, dass es zwar nicht ganz leicht ist, das Gesetzmäßige eines Lautes in Worte zu fassen, es entzieht sich fortwährend der Definition (d.h. wörtlich: Abgrenzung) aber eine bestimmte Gebärde ist doch klar erlebbar. Auch Dichter gehen mit Lauten und Lautstimmungen bewußt oder unbewußt um.
Übt man länger so (d.h. sprechend und lauschend) an der Sprache, wird sie plastischer und beweglicher. Man kann sie dann als etwas erleben, was im Raum zwischen den Menschen lebt. Dies hat nichts zu tun mit einem verstärkten Artikulieren (etwa vergleichbar dem Muskeltraining), sondern damit, dass das Erleben der Sprache verstärkt wird. In diesem Sinne sprach Rudolf Steiner davon, dass im Schulen der Sprache nicht technisch vorgegangen werden soll, sondern «am Laut das gelernt werde, was zu lernen ist».
Martin-Ingbert Heigl
Sitzen bleiben an Waldorfschulen?
Stimmt es, dass es an der Waldorfschule keine Noten und kein Sitzenbleiben gibt?
Auch wenn Waldorfschulen in der Unter- und Mittelstufe auf Noten verzichten, korrigieren die Lehrer selbstverständlich alle Schülerarbeiten. Sie lassen es aber nicht bei dürren Noten bewenden, sondern formulieren individuelle Beurteilungen. In den Zeugnissen gehen die Lehrer ausführlich auf die Persönlichkeitsentwicklungen und auf die Lernfortschritte ihrer Schüler ein.
Die Waldorfpädagogik richtet sich nach den Entwicklungsphasen der Kinder und der Jugendlichen. Deshalb ist nicht der Wissenstand, sondern die Gesamtentwicklung entscheidend. Von der ersten bis zur zwölften Klasse bleiben die Schüler nach Möglichkeit selbst dann in einer festen Klassengemeinschaft, wenn ihre Leistungen vorübergehend nachlassen. Niemand bleibt sitzen.
Temperamente der Schüler, was hat das mit Unterricht zu tun?
Auf Temperamente Rücksicht nehmen
Auch die gesunde Entwicklung emotionaler Intelligenz soll an der Waldorfschule gefördert werden.
Darum sollte der Lehrer die verschiedenen seelischen Konstitutionen der Kinder in den Unterricht mit einbeziehen. So wird z.B. selbst der Rechenunterricht wesentlich abwechslungsreicher und spielerischer, wenn im Klassengespräch auch auf die Temperamente der Kinder Rücksicht genommen wird.
Die vier klassischen Temperamente sind dabei nur Anhaltspunkte. Für die ausgewogene seelische Entwicklung kann es hilfreich sein, wenn der Lehrer für seelische Qualitäten Sensibilität entwickelt und sie auch in seinen Unterricht mit einbezieht.
Textzeugnisse, warum werden die erstellt?
Warum werden Textzeugnisse erstellt?
Anders als bei Staatsschulen wird bei uns am Ende des Schuljahrs ein Textzeugnis erstellt, in dem jeder Fachlehrer einige Zeilen bzw. in der Unterstufe zusätzlich der Klassenlehrer meist 2 Seiten über den Schüler schreibt.
Wir gehen davon aus, dass die Schüler nicht nur Leistungen erbringen, sondern mit Hilfe der Unterrichtsinhalte eine Entwicklung durchmachen, die im Zeugnis festgehalten wird. Ein Beispiel:
Ein "schwacher" Schüler begeistert sich für gewisse Unterrichtsinhalte und beginnt, entgegen seiner Gewohnheit, umfangreichere Hausaufgaben zu schreiben, bis er irgendwann solche Verständnisschwierigkeiten hat, dass er aufgibt. Nun ermutigt ihn der Lehrer, nicht aufzugeben, er erklärt ihm zusätzlich die Aufgaben und erkennt, dass der Schüler tatsächlich Lernwillen zeigt, diesen auch konstant einsetzt, allerdings einige Verständnisschwierigkeiten hat. Das Endergebnis, die "Leistung", wird nicht so gut sein, wie bei anderen Schülern, allerdings besser als vorher.
Ist es in diesem Falle nicht sinnvoll, den Lerneifer zu loben, d.h. diese Leistung zu bewerten und nicht (nur) das Endergebnis? Der Schüler wird dankbar sein und seinen Lerneifer gewiss auch in anderen schulischen Tätigkeiten einsetzen.
Waldorfpädagogik = vorgaukeln einer heilen Welt?
Ist Waldorfpädagogik nicht so etwas wie das Vorgaukeln einer heilen Welt? Kommen die Schüler später denn überhaupt mit der harten Realität zurecht?
Die Praxis zeigt, dass gerade Waldorfschüler von Ausbildern besonders geschätzt werden.
In einer Schule, die nicht nur die intellektuellen Fähigkeiten anspricht, können sich Schlüsselqualitäten wie Teamfähigkeit, Kreativität und die Fähigkeit, prozessual zu denken, vom ersten Schultag an entwickeln.
Waldorfschulen, gibt es die auch woanders?
Waldorfpädagogik – weltweit und international
Der von Rudolf Steiner entwickelte pädagogische Ansatz ist multikulturell und hat sich in den unterschiedlichsten kulturellen und sozialen Umfeldern unter manchmal schwierigsten Bedingungen umgesetzt, z. B. in den Favelas Brasiliens oder als gemischtrassige Schule unter der Apartheidspolitik Südafrikas.
So gibt es 1998 insgesamt 756 Waldorfschulen. In Europa sind es 565, davon die Hälfte in den Niederlanden und in Deutschland.
Jedes Jahr kommen derzeit ca. 30 Schulen hinzu. Waldorfschulen
sind damit die größte von Staat und Kirche unabhängige Schulbewegung. Sie sind nicht zentral organisiert, schließen sich allerdings in regionalen, nationalen und internationalen Verbänden zusammen und unterhalten eine eigene Lehrerausbildung in derzeit 64 Lehrerseminaren und Hochschulen sowie einer Vielzahl berufsbegleitender Seminare.
Weltanschauungsschule = Waldorfschule?
Waldorfschulen sind keine Weltanschauungsschulen
Die Vermittlung von Weltanschauungen – gleich welcher Art – würde der pädagogischen Grundintention der Waldorfpädagogik widersprechen. Gleichwohl nehmen alle Schüler an einem freien christlichen Religionsunterricht teil.
Darüber hinaus versuchen die Waldorfschulen, durch bildhaften und phänomenologischen Unterricht, durch Pflege der Phantasie und des künstlerischen Weltverstehens in den Schülern Fähigkeiten auszubilden, die über die rein analytische und quantitative Betrachtungsweise der Natur und des Menschen hinausführen und bei den jungen Menschen Offenheit für verschiedene Weltauffassungen veranlagen.
Zeugnisse - Sitzen bleiben ....?
Bei Abschlussqualifikationen werden Notenzeugnisse erstellt; ansonsten werden innerhalb der Waldorfschulzeit detaillierte schriftliche Charakterisierungen des Schülers und seiner Leistungen von jedem Lehrer und in jedem Fach gegeben.
Formale Versetzungsentscheidungen und damit ein "Sitzenbleiben" gibt es nicht. Die Schüler befinden sich in einem gemeinsamen Verband einer gleichen Entwicklungsstufe .
Das Zeugnis stellt für Eltern und Schüler ein Gutachten dar, dass einen Überblick über den Leistungsstand gibt, aber auch Ausblicke und Wege für das neue Schuljahr aufzeigen soll.
Aufgrund des engen Kontaktes der Lehrer zu den Eltern werden die schulischen Dinge für beide Seiten sehr transparent.